Ehrengäste beim Endspiel


Am Sonntag, dem 2. September, waren wir bei einem anscheinend lange erwarteten Event dabei. Schon in unseren ersten Tagen in Kyangwali kam Frederick (oder auch Fredreck), ein Lehrer an der P4T Primary School, bei uns im Guesthouse vorbei (aus unbekannten Gründen oft einfach nur „Guest“ genannt). Fredreck hat uns also im Guest besucht, um uns zu einem nicht weiter erläuterten „Tournament“ einzuladen, das in ein paar Wochen stattfinden sollte. Wir haben trotz Nachfragen nicht wirklich verstanden, was das denn bitte für ein Tournament sein sollte, haben aber natürlich zugesagt und die Sache dann auch schnell wieder vergessen.

Bis zum letzten Sonntag, der sowieso schon einen etwas holprigen Start hatte. Weil es für uns bis vor ein paar Tagen, als die Schule wieder angefangen hat, wenig zu tun gab, haben wir ausgeschlafen – warum früh aufstehen, wenn dann sowieso nichts los ist? An dem Tag wurden wir deshalb gleich nach dem Aufstehen damit überrascht, dass Morris, unser Mitbewohner für ein paar Wochen, in 10 Minuten mit uns zum Sonntagsgottesdienst aufbrechen wollte. Wir haben uns allerdings nicht wirklich bereit dazu gefühlt, weil wir weder gefrühstückt noch geduscht hatten und auch gar kein Wasser da war. Abgesehen davon hatte er uns vorher auch nichts von seinen Plänen erzählt. So leid es uns auch tat, haben wir daher den Gottesdienst aufs nächste Wochenende verschoben. Nach dem Frühstück ging es also erstmal los, um Wasser zu holen und dabei die morgendlichen Gaffer zu genießen, was auch nicht angenehmer wird, wenn man ungeduscht 10 Liter Wasser einen Hang hochschleppt. Ich sollte mich allerdings nicht beschweren, denn Joel muss immer 20 oder 40 Liter tragen. Zurück im Garten, kam die nächste Überraschung, diesmal allerdings eine angenehme: Besuch unseres Mentors Hamid. Ohne Rücksicht auf meine Genervtheit ich dann noch dazu gedrängt, zu zeigen, ob ich denn auch die 40 Liter Wasser tragen kann. Disclaimer: Ich kann! Gefilmt wurde ich natürlich auch dabei, obwohl ich es verboten hatte… Hamid konnte sich wohl nicht zurückhalten.

Nachdem ich dann geduscht hatte und mich wieder mehr wie ein Mensch fühlte, kam der Anruf auf Hamids Handy. Ich wusste weder, mit wem ich sprach, noch, worum es ging, aber dann fiel es uns wieder ein: Heute war der 2. September, der Tag des mysteriösen Tournaments. Nur gut, dass uns Frederick daran erinnert hatte und dass wir keine Pläne für den Tag hatten.

Natürlich sind wir dann zu spät los, deutsche Pünktlichkeit war nicht angesagt, obwohl sich Hamid gerne „german boy“ nennt, weil er beim Mentorentraining ein paar Wochen in Deutschland war. „Wir sind definitiv vor Einbruch der Dunkelheit wieder da“, wurde uns noch versichert – das heißt, vor 19 Uhr – als wir zwischen 14 und 15 Uhr los sind. Weil Regenzeit ist, haben wir uns mit Gummistiefeln und Regenjacken bewaffnet, denn Regen heißt hier, dass sich alle Straßen und Wege in Schlamm verwandeln. Ist ja nicht so wichtig, wie wir aussehen, dachten wir uns. Zusätzlich zur Regenausrüstung mussten wir uns allerdings noch gegen die Sonne eincremen, denn der Regen kommt oft sehr plötzlich: Gerade noch strahlendes Wetter, und zehn Minuten später traut man sich nicht mehr vor die Tür.

Auf gings dann also, zu siebt auf zwei BodaBodas. Hamid, Frederick und Benjamin auf dem einen, Joel und ich auf dem anderen. Ein kleines Stückchen würden wir fahren müssen bis zum Tournament, bekamen wir erklärt. Das kleine Stückchen stellte sich allerdings als ziemlich großes Stückchen heraus. Mindestens eine halbe Stunde, vielleicht sogar eine ganze, sind wir durch die Gegend gekurvt. Zuerst durchs Settlement, aber dann auf einmal unter der Schranke durch und rein ins „richtige“ Uganda, also da, wo die meisten tatsächlich auch aus Uganda und nicht aus dem Kongo stammen. Was uns gegenüber niemand erwähnt hatte: Das Tournament fand außerhalb statt und nicht einfach in einem anderen Bezirk des Settlements. Dann, als es langsam unbequem wurde, kamen wir im Zieldorf an (dessen Namen ich vergessen habe, es tut mir leid, aber der war so kompliziert). Unerklärlicherweise fingen unsere Boda-Fahrer an, um die Wette zu hupen, was wir ziemlich witzig fanden, bis zu dem Moment, als wir eine Schule hineinrollten und sie immer weitergemacht haben… und uns klar wurde, dass das eine Art Eskorte und Ankündigung der Weißen sein sollte. Der große Schulhof war voller Menschen, die natürlich alle geguckt haben, wer da so lautstark ankommt. Als wir dann absteigen konnten, waren wir von Kindern umringt und haben uns dann doch nicht mehr so wohlgefühlt in unseren Gummistiefel-Farmeroutfits. Abgesetzt wurden wir direkt vor einer Art Pavillon, unter dem schon ein paar wichtige Leute saßen wie der Chairman des Dorfes, sozusagen der Bürgermeister. Zwei Dinge begriffen wir in dem Moment: Das Tournament war ein Fußball-Endspiel und wir waren Ehrengäste. Als Ehrengäste bekamen wir nicht nur die größtmögliche Nähe zu den Kommentatoren, sondern auch Sitzplätze in der ersten Reihe, während die meisten Leute sich um das riesige Feld herum aufstellen mussten. Zusätzlich bekamen wir auch noch gekühltes Wasser, wohlgemerkt von der teuren Sorte.

Nachdem wir uns gesetzt hatten, ging es ziemlich bald los mit dem Programm. Bis zum eigentlichen Spiel dauerte es allerdings noch eine Weile, denn zuerst mussten andere Programmpunkte abgehakt werden. Die Kommentatoren (vier an der Zahl, die immer mal wieder gewechselt haben) erzählten viel, einschließlich einer gesonderten Begrüßung verschiedener wichtiger Gäste wie den beiden Weißen. Wir haben leider kein Wort verstanden, aber uns wurde erklärt, dass das Fußballspiel mit Sensibilisierung für Aids kombiniert wurde, sozusagen als Spaßfaktor, der Leute versammeln soll, um ein Gespräch über ernste Themen wie Krankheiten zu ermöglichen. Daher ist anzunehmen, dass es bei der Begrüßung auch darum ging. Auch wenn wir nichts verstanden haben, hatten wir dank der Tanz- und Singeinlagen der Kommentatoren trotzdem unseren Spaß. Sie haben ab und zu laut Musik angemacht und ins Mikrofon mitgesungen – unvorstellbar, dass erwachsene Männer in Deutschland ohne Hemmungen vor mehreren hundert Leuten tanzen und auch kein Problem damit haben, gefilmt zu werden, wenn sie nicht ausgebildete Tänzer sind. Joels Sitznachbar hat zwischendurch auch begeistert mitgetanzt. Einen der Kommentatoren haben wir übrigens ein paar Tage später im Radio gehört.

Als nächstes waren „Reise nach Jerusalem“ und Sackhüpfen angesagt, beziehungsweise viel mehr Sackrennen. Das lief dann so, dass ein paar Auserwählte zur Belustigung des Rests gespielt haben. Danach ging es dann richtig zur Sache, denn der Pokal wurde vor die Zuschauer getragen und die Ehrengäste haben erstmal Fotos gemacht. Wir durften auch mal mit aufs Foto und den Pokal anfassen. Erst dann kamen die beiden Fußballteams an die Reihe und stellten sich auf, blau und grün, die Trikots von P4T hergestellt. Die nächste Überraschung des Tages: Frederick selbst spielte auch mit. Damit das Spiel losgehen konnte, musste jemand den Ball schießen. Und wer musste das tun? Richtig. Ich. Joel hatte sich erfolgreich vor dieser Aufgabe gedrückt und sich darauf beschränkt, mich zu filmen. Die Fußballspieler sollten extra Platz machen, aber so richtig freie Bahn hatte ich nicht. Ich habe also mit meinem Gummistiefel den Ball gekickt und auf das Beste gehofft. Unangenehmerweise passierte das Schlechteste und ich habe einen der Spieler getroffen. Die Leute in meiner Nähe haben sich noch bemüht, ernst zu gucken, aber vom Rest der Leute kann man das nicht sagen. Jedenfalls begann das Spiel und für mich die Langeweile, nur unterbrochen von der Halbzeit, bei der Spieler und Zuschauer aufs Feld strömten und getanzt haben. Und von dem Tor des grünen Teams, das sich daraufhin WM-reif gefreut hat. Gegen Ende des Spiels mussten dann auch Spieler ausgewechselt werden, was dann so aussah, dass sie ihre Trikots getauscht haben, weil es nicht genügend für alle gab. Zum Glück hat es nicht geregnet, aber ziemlich kalt wurde es dann doch mit der Zeit und wir waren froh über unsere Jacken.

Als es dann langsam Zeit zum Heimgehen wurde, war das Spiel auch vorbei. Perfektes Timing, dachten wir. Falsch gedacht. Das Spiel war vielleicht vorbei, aber es gab noch Reden zu halten. Auch wir mussten nach vorne, haben aber spontan nur ein paar Sätze zusammengekriegt. Dafür hat Hamid eine spontane 8-Minuten-Rede aus dem Ärmel geschüttelt. Weil es anfing, dunkel zu werden, haben wir uns dann vor Ende der Veranstaltung auf den Weg gemacht, aber das hat dann auch nichts mehr geholfen.

In der Dunkelheit zu fahren, ist wegen der schlechten Straßen und der Abwesenheit von Helmen ein Problem, da braucht man ja nicht auch noch schlechte Sichtverhältnisse. Außerdem hatte es zwar nicht bei uns, aber dafür im Settlement geregnet, also kam auf einem Teil des Weges auch noch Nässe beziehungsweise Schlamm dazu. Den Gastgebern und Hamid war das schlechte Gewissen anzumerken und sie haben sich wortreich entschuldigt, aber am Ende sind wir gut zu Hause angekommen. Nur ein bisschen kalt und unbequem war die Fahrt, und unser Fahrer hat mehrmals beim Fahren telefoniert und ist dann einhändig gefahren. Zurück im Settlement waren wir dann froh, uns die Beine vertreten und unser Abendessen kaufen zu können.

Und damit war wieder ein Tag vorbei…
Sackhüpfen

Reise nach Jerusalem

Einmal Posen mit dem Plastikpokal

Das Spiel beginnt

Halbzeit

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